FORVM, No. 323/324
November
1980

Braunes Blut

60 Jahre Abwehrfeiern gegen die Kärntner Slowenen

Wie stets bisher waren die Feiern zum Gedenken an die Kärntner Volksabstimmung des Jahres 1920 fest in deutscher Hand. Die Slowenen sind an der „Begegnung in Kärnten“ nicht beteiligt.

Marschiert sind am 10. Oktober Abwehrkämpfer, Landestrachtenverein, Bürger- und Goldhaubenfrauen, Kameradschaftsbund und Volkstanzgruppen. Einmal mehr erfuhr die erstaunte Öffentlichkeit, was Kärnten im Laufe von tausend Jahren durchlitten und bestanden hat: Ungarn-, Türken- und Franzoseneinfälle, den Ersten Weltkrieg und jugoslawische Eroberungsversuche.

Keine Notzeit hingegen war die nationalsozialistische Herrschaft. Nicht unnütz Emotionen wecken, sagt Kärntens Landeshauptmann Wagner. Die Kärntner Slowenen sollten damals endgültig eingedeutscht und ihre nationalbewußten Familien zwangsweise ausgesiedelt werden.

Seit einigen Jahren feiern die Kärntner Slowenen im Rahmen des Oktobrski Tabor, der Oktoberarena, ihr eigenes Fest zum 10. Oktober — zusammen mit der fortschrittlichen Kulturszene Österreichs. Heuer kamen Helmut Qualtinger, André Heller, Peter Turrini, Anton Pelinka, Karl Stuhlpfarrer, Hanns Haas.

Gespensterzug durch Klagenfurt am 10. Oktober 1980:
Vor 60 Jahren den slowenischen Drachen besiegt, seither herrscht Holzkopf — sieht übrigens ausgesprochen südslawisch aus

Slowenen einkärntnern

Seit der Eingliederung des slawischen Fürstentums Karantanien ins römisch-deutsche Reich im Hochmittelalter standen die Alpenslawen unter Germanisierungsdruck. Sie haben in bescheidenen Resten im südlichen, gebirgigen Teil Kärntens widerstanden. Dort erreichte sie vor 150 Jahren die Eindeutschungspolitik des deutschen Bürgertums.

Kärnten war bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts flächenmäßig und seiner Bevölkerung nach zu einem Drittel slowenisch. Wer’s weiter bringen will, spricht deutsch, slowenisch reden die vom Dienerstande.

„Urangst“ hat der Kärntner Deutschnationale vor wirtschatftlichen Erfolgen der Slowenen oder gar vor Betriebsansiedlungen mit jugoslawischer Beteiligung. Eher soll das Unterland zugrunde gehen, als um den Preis einer Stärkung der slowenischen Wirtschaftskraft saniert werden. Jüngste Beispiele sind die Filiale der Kücheneinrichtungsfabrik Gorenje und die Übernahme der Fabrik in Rechberg. Der Kärntner Heimatdienst hat ein von der Bundesregierung und anfangs sogar von Kärntens Sozialisten forçiertes österreichisch-jugoslawisches Projekt zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Grenzraum zu Fall gebracht: „Kärnten verschenken, nit amol denken!“

Politik und Schule stellten sich von jeher in den Dienst der Germanisierungspolitik. Südkärnten ist seit hundert Jahren von einem feinmaschigen Netz deutschnationaler Organisationen überspannt. Deutscher Schulverein, Südmark, Kärntner Heimatdienst, Kärntner Heimatbund, sie alle registrierten und registrieren aufmerksam jede nationale Regung der Slowenen, geben die Parolen für die Germanisierungspolitik aus.

12.000 Kärntner Slowenen stimmten 1920 für Österreich, aus Vertrauen in das neue Österreich und nicht aus Begeisterung für das Deutschtum. Dennoch verstanden die Deutschnationalen den Abstimmungssieg für Österreich sofort als einen „Sieg in deutscher Nacht“ (Hans Steinacher). Kaum war die Abstimmung vorbei, wurde ihr Ergebnis als Aufforderung zu forçierter Germanisierungspolitik interpretiert. Die angeblich „deutschfreundlichen“ 12.000 Slowenen wurden als „Windische“ dem Deutschtum zugerechnet, die nationalbewußten Slowenen hingegen als angeblich irredentistisch und deutschfeindlich kriminalisiert. Der größte Teil der slowenischen nationalen Intelligenz wurde aus dem Lande entfernt oder mit Berufsverboten belegt. Den Rest hoffte man nun um so leichter eindeutschen zu können.

In der feierlichen Sitzung der Kärntner Landesversammlung vom 25. November 1920 umriß der deutschnationale Landesverweser die künftige Linie Kärntner Landespolitik:

Bei der Wiederaufrichtung der Heimat dürfen nicht jene 15.278 vergessen bleiben, die beim Plebiszit für den Anschluß an SHS (Jugoslawien) stimmten. Wir glauben, daß davon wohl viele Tausende Verführte sind, die wir wieder zu Kärntnern zu machen haben ... in der Lebensdauer einer Generation muß das Erziehungswerk vollendet sein. Ohne Künsteleien, ohne Druck hat sich bisher das Wort des (Kärntner) Slowenen Urban Jarnik in die Tat umgesetzt, daß die Sprachgrenze in Kärnten in einem Jahrhundert um eine Meile nach Süden vorrückte, und ohne Druck und ohne Künsteleien nach Kärntner Gebräuchen muß auch dieses Kärntner Werk vollbracht werden.

Türken in Ketten:
In der Phantasie sind sie deutsch, nordisch und stark, die karantanischen Germanen mit den vielen slowenischen Namen

Betrogene Sozialdemokraten

Im Kampf um die Traditionspflege hat die Sozialdemokratie den Kürzeren gezogen. 1924 zog sich die Partei aus dem Kärntner Heimatdienst zurück. Im damals gegründeten Kärntner Heimatbund, einem privaten Verein mit freilich halbamtlichen Charakter, waren sie nicht vertreten. Die Sozialdemokraten lehnten 1925 eine Beteiligung an den Abstimmungsfeiern ab. Als ein sozialdemokratischer Funktionär bei einer deutschnationalen Versammlung die Gleichberechtigung der slowenischen Minderheit als beste Garantie für Kärntens Einheit verlangte, wurde er vom Rednerpult gezerrt und als „Tschusch“ beschimpft.

Dafür veranstaltet der rechte Schützenverein „Mittelgail“ ein „6. Volksabstimmungs-GedenkschieBen“. Treudeutsche Volkspoesie erwacht. Das „Tschuschenlied von St. Vinzenz“ endet im Kehrreim: „Die Serben nehmen überhand, mir müasmas amal wagn, Mir wern an Prügel nehman, die Tschuschen außi schlagn“ (Alpenländische Monatshefte, 1924). Die Schulen wurden vom Unterrichtsministerium — auf Anregung des Deutschen Schulvereins — eingeladen, des Abwehrkampfes würdig zu gedenken, „um der ideellen Kräfte willen, die er auslöste“ (Erlaß 1925).

Die Sozialdemokraten beschwörten vergeblich ihre nationalen Verdienste. „Ich erinnere an die Abstimmungszeit! Ist es nach all dem richtig, daß sie uns als unverläßlich hinstellen?“ klagte der Abgeordnete Pomarolli 1921. Die Sozialdemokraten wurden die eigentlichen Verlierer des Abwehrkampfes. Zwar stellen sie als stimmstärkste Partei vorübergehend von 1921 bis 1923 den Landeshauptmann (Florian Gröger). Die bürgerlichen Parteien erklärten ihren Willen, Kärnten wieder zum „weißen Land“ zu machen (Ausspruch des Landbundführers Vinzenz Schumy vom 26. April 1923).

Auf Anregung des Heimatschutzverbandes bilden der Landbund für Österreich, die Christlichsoziale Partei Kärntens, die Großdeutsche Partei und die Nationalsozialistische Partei Kärntens für die Landtagswahlen 1923 eine Einheitsliste. Dieser Bürgerblock erklärt Slowenen und Sozialdemokraten gleichermaBen zu Feinden. In seinem Aufruf heißt es:

Kärntner und Kärntnerinnen! Ihr habt bereits einmal durch Eure Geschlossenheit einen stolzen Sieg errungen. Ihr habt vor nicht langer Zeit mit einem grünen Stimmzettel Euer Land von Euren äußeren Feinden befreit. Nun tut desgleichen und befreit das Land von Euren inneren Feinden mit dem weißen Stimmzettel, der die Aufschrift trägt: Kärntner Einheitsliste!

Die Sozialdemokraten versuchten, dem Heimatschutz den Wind aus den Segeln zu nehmen. Auf ihre Anregung führte der Kärntner Landtag von 1925 bis 1930 mit Vertretern der Slowenen Gespräche über eine Kulturautonomie. Ein 1927 eingebrachter Gesetzesentwurf basierte auf dem Gedanken der kulturellen Selbstverwaltung von Volksgruppen. Insbesondere wollte er den Slowenen das Recht auf eigene Minderheitenschulen einräumen. Der slowenischen Volksgemeinschaft sollten jene angehören, die sich durch Eintragung in einen Kataster ausdrücklich zu ihr bekannten.

Das Projekt hätte also die lange überlieferte Spaltung der Volksgruppe in einen angeblich eindeutschungswilligen und einen nationalslowenischen Teil bestätigt. Die Slowenen lehnten es daher ab, es sei denn, ihre Volksgemeinschaft erhielte das Recht, die bisher zweisprachig (utraquistischen) Schulen als Minderheitenschulen zu führen. Dazu konnten sich aber die deutschen Parteien nicht durchringen. Die Verhandlungen scheiterten.

Der Muff von Tausendjahren:
studentische Kappelbuben in voller Wichs dürfen im Festzug nicht fehlen

1930: alles deutsch, deutsch, deutsch

Wie wenig ernst es der Landesregierung und den Kärntner Parteien mit einer Förderung der Minderheit war, bewiesen die Abstimmungsfeiern des Jahres 1930. Sie dienten dazu, Kärnten vor aller Welt als deutsches Land zu präsentieren. Vertreter der slowenischen Minderheit kamen nicht zu Wort. Diesmal war aber die Kärntner Sozialdemokratie offiziell beteiligt.

Am 6. und 7. September 1930 wird in Ferlach ein Arbeiter-Turn- und Sportfest veranstaltet. In der Festbroschüre heißt es, man werde „nicht den Sieg des Deutschen über den Slowenen feiern, sondern den Sieg der Republik über die Monarchie, den Sieg der Freiheit über die Knechtschaft!“ Von Minderheitenschutz „im kleinen Kärntner Grenzland, im verschlagenen südöstlichen Winkel der großen Deutschen Republik“ ist aber auch bei den Sozialdemokraten nicht mehr die Rede. Im „roten Ferlach mit seiner klassenbewußten Arbeiterschaft“ (Festbroschüre) erklang „Ja, Kartn is lei ans“ und das „Kärntner Heimatlied“. War das der „Sinn proletarischen Sports“?

Bürgerliche Abwehrkämpfer übertrafen die Sozialdemokraten in Heimatideologie allemal. Hans Steinacher: „Neben der Liebe zur Heimat löste das Bewußtsein der Verantwortung für ... Deutschland die zähesten Willenskräfte, den stärksten Opfermut im Kampfe aus.“ Die offiziellen Festredner standen diesem bunten Strauß, „der Jugend dargeboten zur Volksabstimmungs-Gedenkfeier 1930“ nicht nach. Bundeskanzler Schober zufolge feierte „das ganze deutsche Volk“ diesen Tag mit. Altbundeskanzler Seipel begrüßte Kärnten als „Südmark Österreichs und des Deutschtums“.

Die Bundesregierung gewährte eine „Abstimmungsspende“ von drei Millionen Schilling, die zielgerichtet zur Verbesserung der Infrastruktur des Unterlandes verwendet wurde, soweit es der Germanisierung dienlich schien. So wurden in besonders gefährdeten Zonen deutsche Bildungseinrichtungen gefördert. „Alle Versuche, Minderheitenschulen zu errichten“, sagte Schumy, waren somit „von vornherein zunichte gemacht“. Damals wurde die Gründung des Kärntner Abwehrkämpferbundes in die Wege geleitet. Er übernahm „die Pflege des Gedankens an die große Zeit“.

Kärnten befand sich fünf Monate lang, vom Mai bis in den November 1930, „in einem fieberhaften Zustande“. „Kaum haben die Kärntner Slowenen in den letzten Jahren etwas freier aufgeatmet, werden nun die alten Leidenschaften aufs neue entfacht und unser Volk wird aufs neue provozierenden Verhöhnungen durch Kärntner Chauvinisten ausgesetzt“, klagt der Koroski Slovenec am 30. April 1930. Wo Kärnten feiert, da haben die Slowenen bis heute nichts zu suchen.

Die Feiern des Jahres 1935 standen ganz im Zeichen des Heimatschutzverbandes der Ständezeit. Angewidert wandte sich der ehemalige Landbundführer und Heimatbundfunktionär Vinzenz Schumy von diesem schwarzen Treiben ab, wo, wie er schrieb, „Geschichtsfälschungen betrieben werden“. Der Heimatschutzverband wollte sogar „Seine Exzellenz Mussolini als Führer des italienischen Faschismus“ einladen, was vom Außenministerium abgelehnt wurde. So begnügte man sich mit einem Landesaufmarsch und Ernst Rüdiger Starhemberg als Festredner.

Die Feiern des Jahres 1938 standen ganz im Zeichen des Anschlusses: „Der 10. Oktober im Großdeutschen Reich“ fand das Erbe der Abwehrkämpfer würdig verwaltet (Kärntner Grenzruf). Die 20-Jahr-Feiern dienten der aktuellen Parole: „Freiheitskampf Kärnten — Heldenkampf Narvik“. Und nach der Zerschlagung Jugoslawiens 1941 war es Kärntens Aufgabe, Oberkrain einzudeutschen. Der 10. Oktober 1942 wurde der Rechenschaft über die Aussiediung der nationalbewußten Slowenen gewidmet.

Naziordensträger
Klagenfurt, 10.Oktober 1980:
Staatsträger (Männerchor des Bundeskriminalamts)

„Heimat“ nach Süden ausgedehnt

„Auf seine Vergangenheit kann und muß Kärnten stolz sein“, mahnte SS-Standartenführer Alois Maier-Kaibitsch Kärntens Naziführung. „Ob Kärntens Geschichte wirklich groß sein wird, das muß die jetzige Generation zeigen. Die Kärnten-Kreuz-Träger müssen wieder herausgeholt werden aus der bescheidenen Zurückgezogenheit, weil sie für den jetzigen Kampf ein Ansporn sind.“ Die Feiern zu „Kärnten 1200 Jahre Grenzland des Reiches“ im Jahre 1943 bilden den Höhepunkt dieser nationalistischen Brauchtumspflege. Dann gab man es billiger. Die Oktoberfeiern des Jahres 1944 waren von Durchhalteparolen bestimmt.

Im Frühjahr 1945 kommt die Heimatideologie wieder zur Geltung, bescheiden zieht man sich hinter die Karawankenwand zurück, nachdem man den nationalen Horizont allzuweit nach Süden gesteckt hatte. Die Heimat ruft wird das Durchhalteblatt der Kärntner Nationalsozialisten getauft. Ihr Beiblatt „Schänder der Heimat“ stellt trocken fest, „daß Kommunismus, Anarchismus, Titobandentum und Kampf für ein sogenanntes ‚freies Österreich‘ ein und dasselbe sind“. In der Zweiten Republik wird der Ruf der Heimat als Broschüre des Kärntner Heimatdienstes in Zehntausenden Exemplaren an alle Kärntner Haushalte versandt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Kärntens Deutschnationale einige Jahre kleinlaut. Wie schon vor der Volksabstimmung von 1920 versprachen Landesregierung und demokratische Parteien den Slowenen Sicherheiten ihres ethischen Bestandes. Spektakuläre Abstimmungsfeiern unterblieben. In der NS-Zeit war der 10. Oktober zum Landesfeiertag erklärt worden. Nunmehr sprach sich 1947 der Kärntner Landeshauptmann Piesch dafür aus, diesen Landesfeiertag endgültig abzuschaffen, „um auf diese Weise bei denjenigen Slowenen, die damals für Jugoslawien gestimmt hatten, nicht immer wieder eine alte Wunde aufzureißen“.

Die Staatsspitzen sehen zu und finden nichts dabei:
Bundespräsident Kirchschläger und Justizminister Broda.
Die verfolgten Verfolger dürfen sich austoben

Wie unsere Parteien die Nazis beerbten

Diese Zurückhaltung währte nicht lange. Schon 1948 setzte der alte Rummel wieder ein. Auf dem Höhepunkt der Staatsvertragsverhandlungen galt es, der Forderung nach Beibehaltung der alten Staatsgrenzen durch Massenkundgebungen der „heimattreuen“ Bevölkerung Nachdruck zu verleihen. Angeblich 120.000 Kärntner nahmen 1948 an den Feiern teil. Kärntens Parteien kehrten zu alterprobten Methoden der Einschüchterung zurück: „Wer nicht unbedingt für Kärnten ist, ist gegen Kärnten“.

Die „Nationalen“ überstanden die NS-Herrschaft nicht ohne größere Einbußen. Kärntens VdU und Freiheitliche erreichten nie die Bedeutung der Deutschnationalen vor 1933. Hingegen eroberten SPÖ und ÖVP Teile der nationalen Front. Viele ehemalige Nationalsozialisten fanden aus Antiklerikallsmus zu den Sozialisten. Sie haben viel zur nationalen Haltung der SPÖ seit 1945 beigetragen.

Die ehemaligen Landbündler hingegen wechselten beinahe geschlossen zur ÖVP über. Ihre konservativnationale Partei war im Kärntner Unterland von jeher stark gewesen, und sie besaß immer ein besonderes Naheverhältnis zum Kärntner Heimatdienst bzw. Heimatbund. So übernahm die ÖVP das nationale Erbe des Landbundes. Abgeordnete der ÖVP zeichnen sich in den vergangenen Jahren durch eine besonders harte Gangart in der Minderheitenfrage aus. Sie spielen sich zum Sachwalter des Grenzlandbürgertums auf. Und sie machen selbst bescheidene Ansätze sozialdemokratischer Verständigungspolitik zunichte.

Es ist die ÖVP, die seit dem Kärntner Ortstafelkonflikt 1972 konsequent jede Verantwortung für eine weniger antislowenische Haltung ablehnt und auf Dreiparteienregelungen drängt, deren Inhalt dann die Freiheitlichen bestimmen. Doch hat das Deutschtümeln der ÖVP bisher nichts eingebracht. Die Kärntner Bevölkerung will in ihrer überwiegenden Mehrheit von nationalen Auseinandersetzungen nichts wissen. Die Germanisierung der Slowenen war immer am erfolgreichsten, wenn sie sich in aller Stille vollzog. „Nur keine Märtyrer schaffen!“ lautet von jeher ihre Devise (Schumy 1926). Chauvinistisches Gehabe ist überflüssig, da die Hierarchie zwischen Deutschen und Slowenen das Deutschtum ohnehin stärkt.

Die Sozialisten betreiben nicht aggressive deutsche Politik, wie sie umgekehrt alles unterlassen, was die Selbstentfaltung der Slowenen fördern könnte. Werden sie allerdings von der ÖVP unter Druck gesetzt, wie nach dem Ortstafelsturm, dann können sie allemal noch ihre deutsche Grundhaltung glaubwürdig machen. Es fiel den Sozialisten 1975 nicht gerade schwer, die Landtagswahlen mit nationalistischen Parolen zu gewinnen. Die ÖVP hatte das Nachsehen.

Sollten sich allerdings die politischen Verhältnisse Österreichs einmal grundlegend wandeln, dann stünde es für die SPÖ Kärntens schlecht. Dann bekäme sie die Prügel zu spüren, die sie jetzt den Slowenen vor die Füße wirft. Langfristig hat Antislowenismus immer nur der Reaktion genützt.

Die Abstimmungsfeiern standen 1955, kaum war der Staatsvertrag unterschrieben, im Zeichen parteipolitischer Gegensätze. Es fanden zwei Feiern statt: eine offizielle der Landesregierung, und ein rechtes Erntedankfest unter Beteiligung des Kärntner Schulvereins Südmark, des Kärntner Turngaus, des österreichischen Kameradschaftsbundes und hoher kirchlicher Würdenträger.

1958 kam es wieder zu gemeinsamen Feiern. Damals war der kurz zuvor erfolgten Abschaffung des obligatorischen zweisprachigen Unterrichts an den Volksschulen Unterkärntens zu gedenken. Die ÖVP hatte schon die längste Zeit eine Revision des Schulgesetzes von 1945 verlangt, das bei den Staatsvertragsverhandlungen stets als Beweis für Österreichs Minderheitenfreundlichkeit zitiert worden war. Nun gaben auch die Sozialdemokraten der Forderung nach, die der 1957 gegründete Kärntner Heimatdienst spektakulär erhob.

Das Kärntner Gewand ist braun (kein Schmäh!)

Sie ziehen den Schlußstrich

Seither dienen die Abstimmungsfeiern stets aktuellen Anliegen der Kärntner Deutschnationalen: sei es der Verhinderung von Betriebsansiedlungen mit jugoslawischer Beteiligung, wie Gorenje oder Rechberg, sei es dem Verlangen nach geheimer Minderheitenfeststellung als Voraussetzung für eine restriktive Anwendung des Staatsvertrages.

Die bisher größte Feier sah der 10. Oktober 1970. Damals ging der Deutschnationalismus nach Jahren relativer Zurückhaltung zur Offensive über. Wie immer, wenn die Slowenen der Germanisierung widerstehen und Erfolge ihrer nationalen Selbstentfaltung verzeichnen, wurden die Eindeutscher wach. Als Gefahr, galt diesmal die dem Bundesgymnasium für Slowenen entwachsende jungslowenische Intelligenz. Seither ist das Gymnasium „das große Gift“.

Unter Führung eines ehemals hohen NS-Funktionärs, der sich in Oberkrain als Germanisator und als „Gaureferent für Feierabende“ verdient gemacht hatte, wurde im Oktober 1970 das deutsche Kärnten mobilisiert. „Die Einheit des Volkes, die in der schweren Zeit des Kärntner Abwehrkampfes und der Volksabstimmung den Erfolg allein ermöglichte, soll wiederum sichtbar werden.“ Der Kärntner Heimatdienst gab 1970 in seinem Ruf der Heimat der Monsterschau das wahre Motto:

Also hat die Geschichte in Kärnten noch keinen ‚Schlußstrich‘ gezogen. Sie zieht ihn unter zwei Völker nur, wenn eines von ihnen nicht mehr besteht. So ist der Abwehrkampf von 1920 im Jahre 1970 immer noch Abwehrkampf mit den Waffen des Herzens und des Geistes und wird es bleiben, so lange es ein deutsches Volk hier, ein slowenisches dort gibt.

Solange es Slowenen gibt, wird es Abstimmungsfeiern geben. Die Verhandlungen zum 60-Jahr-Gedenken 1980 haben erneut gezeigt, daß das offizielle Kärnten Abstimmungsfeiern als Demonstration der Mehrheit versteht. Endgültig sind die Verhandlungen an der Weigerung der Kärntner Parteien gescheitert, über einen vor Monaten vorgelegten slowenischen Operationskalender auch nur zu reden.

Dieser Operationskalender zählt detailliert die Wünsche der Slowenen auf, nachdem mit dem Volksgruppengesetz eine angeblich minderheitenfreundliche Gesamtregelung gescheitert ist. Eine Vorleistung, das Paket als Beweis des guten Willens auch nur zu besprechen, wollten die Kärntner deutschsprachigen Parteien nicht erbringen.

Hanns Haas, Jahrgang 1943 aus Horn im Waldviertel, ist Dozent für Zeitgeschichte an der Universität Salzburg. Einschlägiges Buch (zusammen mit Karl Stuhlpfarrer): Österreich und seine Slowenen, Verlag Löcker & Wögenstein, Wien 1977. Titel und Untertitel des Artikels stammen von der Redaktion.

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