FORVM, No. 462-464
Juli
1992

Gegen nazistische Wiederbetätigung

Antwort auf die nebenstehende Parlamentarische Anfrage

Ungeachtet des Umstands, daß die Bewertung historischer Ereignisse grundsätzlich nicht Gegenstand der Vollziehung im Sinn des Art. 52 B-VG ist und ungeachtet des Umstands, daß weite Teile dieser Anfrage Angelegenheiten betreffen, die nicht in meinen Wirkungsbereich fallen, möchte ich in Beantwortung dieser parlamentarischen Anfrage folgendes bemerken:

Zahlreiche Formulierungen der Anfrage lassen den Versuch einer Gleichsetzung von KPÖ und NSDAP erkennen. Eine derartige Parallelität zwischen Kommunismus und Nationalsozialismus ist der österreichischen Verfassungsrechtsordnung jedoch fremd. Insofern geht die Anfrage von falschen Voraussetzungen aus.

In Österreich besteht mit dem Verbotsgesetz ein verfassungsrechtlich verankertes und strafrechtlich abgesichertes Verbot der NSDAP und jeder Form der Betätigung im nationalsozialistischen Sinn. Über dieses Verbot herrscht, wie die jüngst vom Nationalrat einstimmig beschlossene Novellierung dieses Gesetzes gezeigt hat, auch weiterhin Konsens* aller im Nationalrat vertretenen politischen Parteien. Dieses Verbot ist unmittelbare Folge der Geschehnisses wahrend der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft, insbesondere auch im Bereich des heutigen österreichischen Staatsgebiets, und es ist auch Folge der Einsicht einer moralischen Mitverantwortung österreichischer Bürger an den Ereignissen.

Demgegenüber ist darauf hinzuweisen, daß die Unabhängigkeitserklärung Österreichs (Proklamation über die Selbständigkeit Österreichs vom 27.4.1945, StGBl.1 vom 1.5.1945) von den »Vorständen der politischen Parteien Österreichs«, der SPÖ, der ÖVP und der KPÖ erlassen wurde. Die Unabhängigkeitserklärung stellt den Beginn der kontinuierlichen Entwicklung des österreichischen Verfassungsrechts der Zweiten Republik dar. Die KPÖ ist daher Mitbegründerin der Zweiten Republik.

Verbots- und Strafbestimmungen, die die Meinungsäußerungs- und Medienfreiheit einschränken und das Spektrum der politischen Betätigung einengen, kommen im demokratischen Rechtsstaat nur ausnahmsweise und jedenfalls nur dort in Betracht, wo dies aus besonderen historischen, verfassungsrechtlichen und verfassungspolitischen Gründen unumgänglich ist. Die Auffassung, Bestimmungen nach Art der im Verbotsgesetz enthaltenen seien verallgemeinerungs- und erweiterungsfähig, widerspricht demokratischen Grundprinzipien, wie sie der österreichischen Verfassungsrechtsordnung und den internationalen Menschenrechtsinstrumenten zugrundeliegen.

Ergänzend möchte ich noch folgendes festhalten:

Die universitäre Forschung und Lehre hat sich spätestens seit dem Jahr 1989 mit der Rolle »Kommunistischer Gewaltherrschaft« intensiv beschäftigt; dieses Problemfeld muß also nicht erst an den Universitäten initiiert werden. Es ist auch festzuhalten, daß sich zwar die Fächer Zeitgeschichte, sowie Ost- und Südosteuropäische Geschichte der Aufarbeitung dieser aktuellen Problematik schon längst widmen, diese Aktivitäten aber noch nicht allgemein von der Öffentlichkeit rezipiert werden.

Hiezu hat, wie mir mitgeteilt wird, das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung zwei konkrete Projekte vergeben, die aufgrund der restriktiven Archivbestimmungen in den osteuropäischen Ländern zur Zeit kommunistischer Herrschaft kaum eine Chance auf Realisierung gehabt hätten:

  1. Das Forschungsprojekt »Österreicher in der Sowjetunion. Von 1918 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges« behandelt die Emigration österreichischer Kommunisten in die (seit 1921 als solche existierende) Sowjetunion, deren Integration sowie ihr Schicksal während der stalinistischen Säuberungswellen, von denen ein Großteil dieser Emigranten betroffen war. Daraus gingen bisher zwei Publikationen hervor:
    1. Hans Schafranek, Zwischen NKWD und Gestapo. Die Auslieferung deutscher und österreichischer Antifaschisten aus der Sowjetunion an Nazideutschland 1937-1941, Frankfurt/Main 1990;
    2. ders., Die Betrogenen. Österreicher als Opfer stalinistischen Terrors in der Sowjetunion, Wien 1991.
  2. »Österreichische Kriegsgefangene in der Sowjetunion bis 1955«: Hunderttausende Österreicher waren Kriegsgefangene in der Sowjetunion; neben zigtausenden Heimkehrern sind viele Schicksale ungeklärt. Unter Benützung des Moskauer Sonderarchivs sowie der Kriegsgefangenenkartei des Bundesministeriums für Inneres werden kollektivbiographische Auswertungen durchgeführt, Einzelschicksale, sowjetische Lagerbürokratie und Kriegsgefangenenpolitik (Benützung als Arbeitskraft, Verschickung in bestimmte Lager, etc.) als ein Teil österreichischer Zeitgeschichte erforscht.

Festhalten möchte ich auch, daß der Unterricht an österreichischen Schulen die Erziehung zur Demokratie zum wesentlichen Inhalt hat.

Insbesondere ist auf das Unterrichtsprinzip Politische Bildung hinzuweisen, das für alle Schultypen und Schulstufen gilt und das Ziel der Erziehung der Jugend zum Mitwirken an einer demokratischen Gesellschaft hat. Diese hat auf den Grundwerten Friede, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit aufzubauen.

Im Zeitgeschichteunterricht wird entsprechend dem Lehrplan der 8. Schulstufe, der für alle österreichischen Schulen gilt, der Themenkomplex »Diktatorische Systeme« behandelt, wobei folgende Lernziele angeführt sind:

  • Erkennen der Unterschiede zwischen demokratischen und diktatorischen Systemen;
  • Erfassen der Stellung des Menschen in einem totalitären Staat;
  • Erkennen verschiedener Möglichkeiten und Formen der Manipulation und Indoktrination.

Dementsprechend werden auch in den österreichischen Schulbüchern die Verbrechen des Stalinismus dargestellt.

Letztlich ist im Zusammenhang mit dem Bundesgesetz über die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik 1984, BGBl.Nr. 369, sowie dem Presseförderungsgesetz 1985 noch festzuhalten, daß die politische Ausrichtung eines Druckwerks kein Kriterium für die Gewährung einer Förderung nach diesen Gesetzen ist. Das in der Anfrage beschriebene Unterscheidungsmerkmal („die im weitesten Sinn des Wortes kommunistischen Bereich oder seinem Umfeld zuzurechnen sind oder sonst typisch kommunistisches Gedankengut verbreiten“) wird bei der Prüfung der Förderungswürdigkeit daher nicht herangezogen; schon aus diesem Grund kann ich diese Frage nicht beantworten.

P.S.: Konsens

Der Konsens über das Verbotsgesetz hält leider nur rein formell und beruht auf dem sorgsam gewahrten Dissens, was denn eigentlich Inhalt einer nazistischen Betätigung ist oder wäre. Haiders Hitler-Paraphrase von der „Mißgeburt“ haben SP wie VP nicht akzeptiert, wegen seiner Propaganda für die „ordentliche Beschäftigungspolitik“ des Dritten Reichs haben sie ihn gemeinsam in Kärnten gestürzt. Was ein wahrer Nazi ist, bleibt aber unbelehrbar, wie wir umseitig sehen müssen.

G.O.
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