Liebe Leserin, lieber Leser
Nun war es also soweit. Gebannt starrten wir auf den Fernsehbildschirm, einmal ORF, RTL, NTV, CNN und wieder retour ... Was bleibt? Ein Gefühl der Leere, der Unentscheidbarkeit, der Zumutung an die politische Urteilsfähigkeit. Dann doch Hoffnung ... Die Redaktion von Context XXI, in der die einzelnen Beteiligten sich nicht in der Sicherheit einer klar einzunehmenden und für alle gültigen Positionierung wiegen konnten und wollten, hat sich in einer Reihe von Diskussionsrunden dieser Herausforderung gestellt, mit dem festen Willen, Kollektivität auch dort herzustellen, wo es keine gemeinsame Fahne gibt, hinter die sich alle stellen. Daraus entstand der Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe — die aufgrund der Fülle von Beiträgen noch schnell in eine Doppelnummer umgewandelt werden musste —, der versucht, den kritischen Blick auf die Ereignisse der letzten Monate zu bewahren. Dass sich dabei mehrere Artikel und Rezensionen mit dem Phänomen des Antiamerikanismus auseinandersetzen, darunter der Artikel von Mary Kreutzer und Wolf-Dieter Vogel, das Interview mit der mexikanisch-jüdischen Journalistin Esther Shabot und die Rezension von Marc Zannoni von Dan Diners Buch zum Phänomen des Antiamerikanismus, ist kein Zufall: hat doch gerade in Europa dieses weitverbreitete Ressentiment wieder Hochkonjunktur. Zur Situation im Iraq selbst hat Context XXI zwei im österreichischen Exil lebende, im Widerstand gegen das Ba’th-Regime engagierte Iraqer zu einem Gespräch eingeladen, weil es uns ein Anliegen war — zum Unterschied der sich ganz auf das eigene moralische Urteil verlassenden Friedensbewegung, die kaum Interesse an der iraqischen Community in Österreich zeigte — den unmittelbar Betroffenen eine Stimme zu geben. Neben Florian Markls Artikel zur Herkunft und historischen Verortung des omnipräsenten Slogans „kein Blut für Öl“ finden sich im Schwerpunkt einige persönlich gehaltene Kommentare zur Friedensbewegung, die einen Teil der in der Redaktion geführten Diskussionen vermitteln wollen. Auch Jörg Haider und Peter Pilz waren uns jeweils eine Rezension wert, lassen sich doch an diesen beiden Büchern, auch wenn ihre Autoren politisch nichts verbindet, exemplarisch einige Charakteristika des rechten Faibles für das Ba’th-Regime, wie des linken Faibles für antiamerikanische Ressentiments herausarbeiten.
Neben dem Schwerpunkt finden sich eine kritische Reportage von Hannah Fröhlich zu dem zum medialen Großereignis stilisierten Projekt „Letter to the stars“, Martin Stefanovs Artikel zu einigen weniger bekannten Aspekten des Strasser’schen Umgangs mit MigrantInnen und der Genfer Flüchtlingskonvention, Thomas Schmidingers Artikel zu Tajikistan und weitere Rezensionen von Thomas König, Thomas Schmidinger und Stephan Grigat.
Die Illustrationen dieser Nummer stammen von Eduardo Cohen, Genaueres zu seiner Person siehe S. 6.
Wir wünschen eine spannende Lektüre und appellieren auch diesmal: Lest Context XXI, hört Context XXI-Radio, abonniert Context XXI ... und sagt es Euren FreundInnen weiter!
Mai 2003