Techno mit Störungen
In Wien die ARENA, WUK und Chelsea, in Linz die Kapu und im östlichsten Zipfel des Landes — also noch immer kurz vor dem Ende der Welt — die Jazzgalerie Nickelsdorf. Allerorten feiern kleinere bis mittlere MusikveranstalterInnen derzeit Jubiläen und erinnern derart an die Aufbruchsstimmung, die in der unabhängigen österreichischen Musikszene vor fünf, zehn, fünfzehn oder bereits zwanzig Jahren herrschte. Ein Aufbruch übrigens, der augenfällig oft mit einem Niedergang autonomer Strukturen im Politischen einhergegangen ist. Nunmehr scheint die Stagnation auch erstere erreicht zu haben. Denn wozu sonst sich derart geballt mit Jubiläen aufhalten?
Der Welser „kulturverein waschaecht“ hatte dieses Jahr für sein Anfang November zum zehnten Mal über die Bühne gegangenes „music unlimited“-Festival ebenfalls ein Jubiläumsprogramm auf die Beine gestellt. Daß die Welser trotzdem die momentan spannendste Adresse im Lande für Musik im Grenzbereich zwischen Jazz und Rock sind, liegt vor allem an ihrem Konzept, die Gestaltung ihres Festivals alle zwei Jahre einem oder einer ihrer LieblingsmusikerInnen zu übertragen (das große I steht hierbei für ein noch einzulösendes Versprechen). Letztes Jahr ging der Auftrag an den Geiger John Rose.
Im Mittelpunkt seines Programms stand „Techno mit Störungen“, die Konfrontation improvisierender MusikerInnen mit digitaler Technologie. Das Wiener Kleinlabel „Plag dich nicht“ hat das Stück auf CD dokumentiert. Wobei Dokumentation durchaus das richtige Wort ist, entziehen sich doch Experimente wie dieses der Logik des Pop-Marktes, nur „fertige“ Stücke auf CD zu brennen (einer Logik, der sich gemeinhin kleine Rock-, Hardcore- oder ähnliche Label ebenso unterwerfen wie große Konzerne).
Ich glaube nicht, daß jene, die Techno mögen, an „Techno mit Störungen“ ihre Freude haben werden. Mir gefällt die CD, aber ich habe ja auch nur wenig Freude an Techno. „Der begriff ‚techno‘ wurde dabei“, so John Rose, „in seiner weitestmöglichen bedeutung verstanden: von sequencing zum live-sampling zur extremen mißhandlung von platten bis hin zu elektronischen spielzeug-perversionen.“ Auf der einen Seite der Bühne bedienten Christian Marclay, Otomo Yoshihide und Frank Schulte die Elektronik — digitale und zum nicht geringen Teil auch analoge (Plattenspieler, „Radiostimmen“ etc.). Auf der anderen Seite standen fünfzehn bekannte ImprovisationsmusikerInnen, Rose nennt sie „techno-gladiators“. Damit nicht genug, mischten noch vierzehn MusikerInnen des italienischen „Laboratorio di Musica & Immagine“ mit.
Geregelt wurde das Ganze durch ein von den MusikerInnen selbst zu bedienendes Ampel-System. Nicht selten scheinen die Improvisierenden dabei der anderen Seite zunächst einmal ein deutliches Rot signalisiert zu haben, um diese dann umgekehrt ihre Improvisationen „stören“ zu lassen. Diejenigen MusikerInnen, die schon immer einen spielerischen Umgang mit der Elektronik pflegten, dürften auch an diesem Abend ihren Spaß gehabt haben. Anderen gerieten ihre Störungen zu wenig mehr als eben diesen: Störungen — ausgesprochen kurzweilig, doch ein wenig beliebig. Im Gegensatz etwa zu John Zorns „Cobra“ kann ich mich aber bei „Techno mit Störungen“ des Eindrucks nicht erwehren: Irgendetwas hat da nicht funktioniert. Wie gesagt: eine spannende CD.
Techno mit Störungen
Ein Projekt von John Rose
Plag dich nicht 002
Neulerchenfelderstr. 11/5, 1160 Wien